Geschlossene und vollautomatisierte Systeme liegen im Trend
PRODUKTIONSTECHNIK // LAUT DEN VERFAHRENSTECHNIKERN CHRISTIAN UND MICHAEL DIDDENS DER WILHELM NIEMANN MASCHINENFABRIK, ZEICHNET SICH EIN TREND ZU IMMER STEIGENDEN BATCHGRÖSSEN IN DER FARBEN- UND LACKINDUSTRIE AB. DIESBEZÜGLICH STEHEN BEI DEN ANFORDERUNGEN IMMER STÄRKER THEMEN WIE ARBEITSSICHERHEIT UND VOR ALLEM AUTOMATISIERUNG IM FOKUS.
Welche Anforderungen stellen Farben- und Lackhersteller an Maschinenhersteller?
Christian Diddens: Die Anforderungen reichen von der verfahrenstechnischen Auslegung, über die Lieferung bis hin zur Montage und Inbetriebnahme der Maschinen. Wir merken, dass immer häufiger nach Lösungen im Hinblick auf Automatisierung gefordert werden, ob als Teil- oder Komplettlösung. Das Stichwort Industrie 4.0 kommt verstärkt in den Wünschen der Kunden vor. Zusätzlich sehen wir, dass die Anlagen immer größer und komplexer werden. Einen starken Einfluss auf die Anforderungen hat auch die stetige Veränderung durch neue und umfangreichere Regelwerke. Anforderungen hinsichtlich Arbeitssicherheit und Ergonomie werden demnach auch immer wichtiger.
Und welche Trends zeichnen sich hier raus für Sie ab?
Michael Diddens: Wir erkennen einen Trend hin zu geschlossenen Systemen, die vollautomatisiert betrieben werden können. Als Beispiel können hier Anlagen genannt werden, die die Staubentwicklung beim Dosieren von Pulvern nahezu ausschließen. Weiterhin sind Maschinen mit Rezeptursteuerung, oder solche die über eine derartige Vorbereitung verfügen, gefragt. Auch einfache Dissolver werden in der Ausstattung umfangreicher. Es werden z. B. komplexe Deckelsysteme oder Automationstechnik verlangt. Das geht sicherlich damit einher, dass die Batch-Größen in den Unternehmen steigen. Diesen Trend sehen wir in allen Regionen der Welt. Insbesondere in Asien festigt sich dieser über die letzten 10 bis 15 Jahre. Dorthin liefern wir Maschinen mit Ansatzgrößen für z.B. Dispersionsfarben im Bereich von 8.000 – 15.000 Liter. In Europa sehen wir diese Entwicklung aber ebenso.
Die Dissolver-Technologie ist bereits seit Jahrzehnten in der Farben- und Lackindustrie etabliert. Weshalb entscheiden sich Kunden auch weiterhin für diese Technologie?
Michael Diddens: Die Robustheit und Langlebigkeit der Maschinen in der Dissolver- Technologie haben sich im Markt über die Jahrzehnte bewährt. Speziell beim „Kreis Dissolver“ wird das Setup, aber vor allem auch die Ersatzteilversorgung und unsere fast endlose Optionsliste im Markt geschätzt. Niemann steht für besondere Lösungen. Wir haben bisher jede Anforderung unserer Kunden realisiert. Zusätzlich lassen sich mit unseren Geräten größere Mengen und bessere Produktqualitäten produzieren, im Vergleich zu Standard-Dissolvern, die in anderen Teilen der Welt hergestellt werden. Im Hinblick auf den zuvor genannten Trend zu steigenden Batchgrößen ist dies sicherlich auch ein Kriterium bei der Entscheidung.
Wo liegen die Stärken aber auch die Schwächen der Dissolver-Technologie, wenn man diese etwa mit der Inlinedispergier-Technologie vergleicht?
Christian Diddens: Die beiden Systeme stehen im Wettbewerb. In den letzten Jahren konnten wir weltweit viele Projekte und Fabrikneubauten für uns bzw. die Dissolver-Technologie gewinnen. Durch die lange Zeit im Markt können wir von einer klassisch geprüften Akzeptanz beim Dissolver sprechen. Ein in der heutigen Zeit nicht unerheblicher Vorteil liegt in den geringen Betriebskosten. Die Kosten für Verschleißteile und Wartung sind minimal. Außerdem wird eine hohe Vielfalt an Produkten ermöglicht, die mit dem Dissolver gefertigt werden können. Dies bietet eine erhöhte Flexibilität im Einsatz. Auch der Scale-up-Prozess ist eine Stärke, da Formulierungen oft im Labor mit einem Dissolver entwickelt werden. Diese lassen sich dann ohne Rezeptanpassungen komplikationslos auf die Produktion übertragen. Die geringeren Investitionskosten sind ebenso ein Vorteil sowie die Möglichkeit der CIP-Reinigung, bei den geschlossenen Systemen bzw. stationären Großanlagen. Das System ist unkompliziert, einfach zu bedienen sowie zu steuern und kann einfach in automatisierte Prozesse eingebunden werden. Weitere Vorteile liegen etwa in der Unempfindlichkeit des Dispergierprozesses. Selbst schwankende Rohstoffeigenschaften z.B. durch Umgebungsbedingungen führen nicht zwangsläufig zu Rezeptanpassungen. Aufgrund der gegebenen Möglichkeiten haben wir in den letzten Jahren weltweit auch viele Erweiterungsprojekte mit unserer Dissolver-Technologie realisieren dürfen, wo ursprünglich beide Technologien genutzt wurden.
Michael Diddens: Die Inlinedispergier-Technologie hat ihre Stärken bei großen gleichen Produktionsmengen. Etwa wenn ein und dasselbe Produkt, z.B. ein Slurry oder ein Halbfabrikat, in Großmengen hergestellt wird, wo direkt aus Silofahrzeugen Pulver in den Produktionsprozess abgesaugt werden kann. Ebenso bei Ansatzgrößen von über 15.000 Litern hat die Inlinedispergier Technologie einen Vorteil gegenüber der Dissolver-Technologie. Aufgrund des neuen Systems waren viele Kunden zu Beginn neugierig. Ebenso viele haben aber Erfahrungen damit gemacht und sehen keine Vorteile bzgl. Kosten, Warten, Empfindlichkeiten.
Auf welche Projekte fokussiert sich Ihre Forschung und Entwicklung?
Christian Diddens: Der Fokus der Projekte in der Forschung und Entwicklung geht in zwei Richtungen. Einerseits geht es um die Weiterentwicklungen bestehender Maschine, um diese mit Add-ons auszustatten oder nach Kundenwünschen anzupassen. Neue Bedienkonzepte sind hier ein sehr großes Thema. Die Panels sollen im Design und in der Bedienung intuitiver gestaltet werden. Außerdem entwickeln wir unser Prozessleitsystem KD-Batchcontrol kontinuierlich weiter. Andrerseits widmen wir uns der komplett neuen Entwicklung von neuen Maschinenbaureihen, wie der kontinuierlichen Rührwerksmühle, „Typ KCM“, die auf der ECS 2023 ausgestellt wird.
Wie bewerten Sie das Potenzial für kontinuierliche Rührwerksmühlen im Markt?
Michael Diddens: Mit der kontinuierlichen Rührwerksmühle haben wir jetzt eine Portfolioerweiterung. Bisher konnten unsere Tauchmühlen nur Chargen bis zu 1.500 Liter Nutzvolumen im Batchbetrieb diskontinuierlich vermahlen. Mit der neuen Maschinenbaureihe können wir Dispergieren und Feinmahlen auch für Großchargen aus einer Hand anbieten. Hier haben wir auf spezielle Anfragen und Projekte reagiert und sehen Potenzial in der Farben- und Lackbranche. Vorerst liegt der Schwerpunkt hierbei aber klar auf dem europäischen Markt.
Dieses Interview führte Damir Gagro.